Aus: Florian Kommen Nr. 144 | Juni 2025

Projekt #team112: Willkommen in der Freiwilligen Feuerwehr!

Ein Projekt des Landesfeuerwehrverbandes Bayern gefördert durch die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt (DSEE)

Ziel des Projekts

Von der Mannschaft zum #team112: Das Beratungsprojekt soll den Freiwilligen Feuerwehren helfen, offener für neue und vielfältigere Personengruppen zu werden und durch Vielfalt im Team die demokratischen Strukturen vor Ort zu stärken.

Warum dieses Projekt?

Im ersten Moment denken die meisten bei Feuerwehr wohl an einen starken, jungen Feuerwehrmann in seinem Schutzanzug oder in der blauen Uniform. Erst im zweiten Moment dürften die meisten wohl an eine Frau im aktiven Dienst, ältere Kameraden, an die Jugendlichen der Jugendfeuerwehr oder an die Kinder der Kinderfeuerwehr denken.

Noch sind die Mitglieder in vielen Feuerwehren eine eher homogene Gruppe mit weniger stark ausgeprägter Vielfalt. Auch die Statistik zeigt, dass es z.B. noch überwiegend Männer sind, die aktiven Feuerwehrdienst leisten. Dabei kann genau die Unterschiedlichkeit in Geschlecht, aber auch in Herkunft, Alter oder körperlichen und geistigen Fähigkeiten ein Team enorm bereichern und zu ungeahnten neuen Lösungen führen. Von mehr Vielfalt profitieren sowohl der Einsatz- und Übungsdienst als auch das Vereinsleben. Neue Zielgruppen, wie z.B. Neuhinzugezogene, Frauen, oder Menschen mit Migrationshintergrund machen es zudem leichter, zusätzliche neue Mitglieder zu finden und die Feuerwehr zukunftssicher aufzustellen.

Gerade in ländlichen Regionen sind die Freiwilligen Feuerwehren oft einer der wenigen Orte, an denen das örtliche gesellschaftliche Leben stattfindet. Neben Einsatz- und Übungsdienst zeigt sich das besonders in den Vereinsaktivitäten, wie z.B. Maibaumstellen, Organisation von Dorffesten oder Aufräumaktionen („Rama dama“) des öffentlichen Raumes. Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist daher häufig die Verbindung zur Freiwilligen Feuerwehr, ob als Mitglied oder Angehöriger eines Mitglieds. Kommunen profitieren damit ebenfalls von einer vielfältigeren Feuerwehr, da mehr Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, was unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort stärkt. Zudem ist die Mitgliedschaft in einer Feuerwehr mit einem doch hohen Ansehen in der Bevölkerung verbunden, was dazu beitragen kann, Vorurteile gegenüber marginalisierten Gruppen in der örtlichen Gemeinschaft abzubauen.

Die überwiegende Mehrheit der Feuerwehren heißt bereits alle willkommen, jedoch werden manche Personengruppen bisher nicht in dem Umfang erreicht, wie es sich viele Feuerwehren wünschen. Ziel des Projektes ist die Feuerwehren zu unterstützen: Ergebnis wird ein Handlungsleitfaden sein, wie neue Personengruppen, die bisher in der Feuerwehr unterrepräsentiert sind, erreicht und ihr Interesse für die Freiwilligen Feuerwehren geweckt werden kann.

Was ist bisher passiert und wo stehen die beteiligten Feuerwehren jetzt?

Mögliche Methoden und Vorgehensweisen werden im Rahmen des Förderprojekts in einem Testlandkreis mit fünf Pilotfeuerwehren erprobt. Der Startschuss zum Projekt fiel Mitte vergangenen Jahres. Der Landesfeuerwehrverband Bayern e.V. bot den KFV/SFV die Möglichkeit sich mit bis zu fünf Feuerwehren für die Teilnahme beim Projekt #team112: Willkommen in der Freiwilligen Feuerwehr! zu bewerben. Ziel des Projektes ist die Mitgliederstruktur der einzelnen Feuerwehren zu verbessern, mit mehr Vielfalt aufzuwerten und Personengruppen im Ort zu erreichen, die bisher noch nicht am Feuerwehrleben teilhaben konnten. Aus den zahlreichen Bewerbungen bekam schließlich der KFV Roth mit den Pilotfeuerwehren FF Bernlohe, FF Eckersmühlen, FF Kiliansdorf, FF Kleinschwarzenlohe und der FF Röthenbach b. St. Wolfgang den Zuschlag.

Im Oktober 2024 konnte mit der praktischen Phase des Projektes begonnen werden. Zum ersten Mal trafen die teilnehmenden Feuerwehren und die Projektbeauftragten der Geschäftsstelle in Form eines Online-Meetings aufeinander. Projekt- und Netzwerkkoordinatorin Freiwilligenmanagement Andrea Schießl stellte zusammen mit der Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Dr. Marina Wieluch und dem Veranstaltungsmanager Maximilian Roos den Ansprechpartnern der einzelnen Feuerwehren das Projekt mit dem geplanten Ablauf und den wichtigsten Hintergründen vor. Die Teilnehmer aus den einzelnen Feuerwehren präsentierten ihre Freiwillige Feuerwehr und formulierten erste Erwartungen und Ziele.

Projektphase 1: Analyse der örtlichen Gegebenheiten

Im November und Dezember 2024 fand in jeder Feuerwehr eine erste Workshoprunde in Präsenz statt. Die Teilnehmerzahl war auf 5-10 Personen festgelegt, wobei der Personenkreis von der jeweiligen Feuerwehr selbst bestimmt wurde. Der erste Workshop stand unter dem Thema „Analyse der örtlichen Gegebenheiten“. Hierzu fand ein intensiver Austausch zu bestehenden Rahmenbedingungen in Aktiver Mannschaft, Kinder- und Jugendfeuerwehr (soweit vorhanden), Verein, der Struktur des Ortes bzgl. Arbeitgeber, Firmen, Geschäfte und der aktuellen Einwohnerzahl und -struktur statt.

Auch wenn die Rahmenbedingungen in einer Feuerwehr zunächst als Selbstverständlichkeit für alle Mitglieder erscheinen mögen, lohnt sich eine genaue Betrachtung: Sind alle Mitglieder auf dem gleichen Stand? Empfinden alle Beteiligten die Regelungen und Strukturen als sinnvoll und hilfreich? Es lohnt sich zudem, die Gegebenheiten in der eigenen Feuerwehr aus dem Blickwinkel eines neuen Mitglieds zu betrachten und die einzelnen Bedingungen zur Diskussion zu stellen. Wie wirkt die Feuerwehr auf jemanden, der die Strukturen nicht bereits seit Jahren kennt und lebt? Was kann die Feuerwehr neuen Mitgliedern bieten? Betrachtet wurden im Workshop hierbei unter anderem die vorhandene Ausstattung (Gerätehaus, Fahrzeuge, persönliche Schutzausrüstung etc.), Regelungen und Gepflogenheiten bei Einsatz- und Übungsdienst, Möglichkeiten der Teilhabe, die Kommunikation zwischen den einzelnen Führungs- und Mannschaftsebenen, Zusammenwirken von Aktiven, Jugend und Verein, und vieles mehr.

Ein weiterer wichtiger Punkt für eine erfolgreiche Zielgruppenansprache ist die Erörterung der eigenen Motivation für das Ehrenamt. Warum engagiert man sich selbst gerne bei der Feuerwehr? Was gibt einem das Ehrenamt persönlich zurück? Die eigenen, persönlichen Benefits aus dem Ehrenamt zu kennen, kann dazu beitragen bisher „feuerwehrfremde“ Personen für die Sache zu begeistern und Interesse an einer Mitgliedschaft zu wecken. In einem gegenseitigen Interview versuchten die Workshop-Teilnehmenden dem „Warum?“ ihres Engagements auf den Grund zu gehen. Dabei gab es den ein oder anderen „Aha-Moment“ unter den Kameraden und Kameradinnen.

Mit Hilfe der Persona-Methode machten sich die Feuerwehren daran, ihr „Wunschmitglied“ zu kreieren. Aus diesem fiktiven „Wunschmitglied“ wurde im späteren Projektverlauf eine Fokus-Zielgruppe bestimmt, die vorrangig im Projektjahr gewonnen werden soll.

Mit den Informationen und Ergebnissen aus dem ersten Workshop erstellten die Workshopleiterin und Projektbeauftragte Andrea Schießl und die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Dr. Marina Wieluch ein umfangreiches Lagebild mit Eindrücken und Empfehlungen für jede Feuerwehr. Unter Einbezug der örtlichen Gegebenheiten in der Feuerwehr und des jeweiligen Ortes, wurden hier u.a. mögliche, neue Zielgruppen zur Steigerung der Vielfalt in der Mannschaft aufgezeigt. Auch erste mögliche Optimierungsmaßnahmen, z.B. in der Mitgliederwerbung oder im Bereich Teilhabe wurden aufgezeigt. Welche Maßnahmen zur Umsetzung kommen, entscheidet jede Feuerwehr für sich vor dem Hintergrund des Vielfaltsgedankens.

Projektphase 2: Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Vielfalt

In einer zweiten Workshoprunde, die im März und April dieses Jahres stattfand, wurden gezielt Maßnahmen für eine bestimmte, zuvor festgelegte Zielgruppe erarbeitet. Der Teilnehmerkreis erweiterte sich auf 10-20 Teilnehmer pro Workshop aus Mitgliedern der aktiven Mannschaft, des Vereins und auch aus der Jugendfeuerwehr.

Ziel des Workshops war, Ideen zur Ansprache der zuvor festgelegten Fokus-Zielgruppe zu generieren, Die Festlegung auf eine spezifische Zielgruppe zur Anwerbung von neuen Mitgliedern erschien vielen Beteiligten auf den ersten Blick eher kurios. „Wir nehmen bei der Freiwilligen Feuerwehr doch alle Menschen auf, wenn sie sich dafür interessieren und gewinnen lassen…“, war sinngemäß zu hören. Auch wenn das korrekt und mehr als wünschenswert ist, so fördern zielgruppenspezifische (Werbe-)Maßnahmen jedoch den Erfolg bei der Mitgliedergewinnung. Lassen Sie sich auf ein Beispiel aus der Lebenspraxis ein: Erinnern Sie sich doch einmal an die Planung Ihres 18. Geburtstages: Als erstes werden Sie die Entscheidung gefällt haben, wie dieser besondere Tag gestaltet werden soll: wird mit den Verwandten gefeiert? Gibt es eine Party mit Freunden? Oder verbringt man den Tag mit einer besten Freundin oder einem besten Freund? Ist das „Wer“ festgelegt, wird man überlegen, wie die Feier oder Aktivität mit den jeweiligen Personen aussehen soll: was soll es zu Essen und zu Trinken geben? Wann und wo soll sie stattfinden, zu welcher Uhrzeit? Welche Musik soll gespielt werden? Tendenziell wird es hier Unterschiede geben zwischen der Party mit den Freunden und der Feier mit Oma, Opa und Verwandten, denn „Geschmäcker sind verschieden.“

Diese Überlegungen, die wir im privaten Umfeld ganz intuitiv anstellen, sind auch für die Anwerbung von neuen Mitgliedern hilfreich, erleichtert eine Zielgruppenfestlegung die Planung von Maßnahmen und Aktionen, die genau dieser Personengruppe gefallen, doch erheblich. Im Workshop lernten die Kameradinnen und Kameraden das AIDA-Modell kennen, ein Stufenmodell aus dem Marketing, anhand dessen zentrale Überlegungen für Werbemaßnahmen und Aktionen leicht angestellt werden können. Wie entscheiden sich Menschen dazu etwas zu tun, d.h. in unserem Kontext, der Feuerwehr beizutreten? Dazu können sich Feuerwehren diese vier Fragen stellen:

  • Attention: wie können wir Aufmerksamkeit für die FF schaffen und sichtbar werden?  (Beispielhafter Gedanke, der erzeugt werden soll: „Oh, wir haben hier im Ort ja eine Freiwillige Feuerwehr“)
  • Interest: Wie kann ich Interesse an der FF wecken? Welche Aspekte an der Feuerwehr könnten die jeweilige Zielgruppe besonders interessieren?  (Beispielhafter Gedanke: „Interessant, ich wusste gar nicht, dass unsere Freiwillige Feuerwehr so viel für unseren Ort leistet, auch über die Einsätze hinaus.“)
  • Desire: Wie kann der Wunsch geweckt werden der Feuerwehr beizutreten?  Welche positiven Dinge gehen mit einer Mitgliedschaft einher? (Beispielhafter Gedanke: „Die haben zusammen wirklich Spaß und halten immer zusammen. Ich würde da auch gerne dazugehören.“)
  • Action: Wie kann der Schritt zum tatsächlichen Beitritt erreicht werden? Welche Barrieren halten Menschen vielleicht ab? Hier kann es sich lohnen, z.B. einen Gesprächsleitfaden zu entwickeln, um Gegenargumente zu entkräftigen (z.B. „Ich würde ja gerne, habe aber keine Zeit“).

Während Aufmerksamkeit leicht mit Werbung erzeugt werden kann, ist zunehmend persönlicher Kontakt nötig, bis Menschen sich tatsächlich zu einem Beitritt in die Freiwillige Feuerwehr entscheiden können. Im Workshop gab es daher Hilfestellung, wie ein Gesprächsleitfaden für den persönlichen Kontakt erstellt werden kann. Was sind typische Gegenargumente und wie können die Ehrenamtlichen darauf antworten? Erhalten Interessierte einheitliche und transparente Informationen über die Feuerwehr, unabhängig vom jeweiligen Gesprächspartner (z.B. wie hoch ist der Zeitaufwand wirklich? Wie sieht die Ausbildung aus? Was bietet die Feuerwehr? etc.).

Kernstück der zweiten Workshoprunde war die Generierung von Ideen, wie die jeweilige Zielgruppe denn nun erreicht werden könnte. Mit der Methode des „World-Cafés“ wurden verschiedene Fragestellungen in kleinen Gruppengesprächen bearbeitet und intensiv diskutiert. Der Kreativität waren hier keine Grenzen gesetzt. Genannt werden konnte hier alles unabhängig von Bedenken über die Machbarkeit, getreu dem Motto „Geht nicht, gibt’s nicht“. Aus den Antworten auf diese Fragen wurden Vorschläge für mögliche umzusetzende Maßnahme kreiert. Im Ergebnis fand sich ein eine bunte Mischung aus sportlichen Events, verschiedensten Informations- und Bildungsangeboten für Bürgerinnen und Bürger, kreative Möglichkeiten zur Teilhabe und verschiedenste Aktionen und Veranstaltungen für das gesellige Miteinander und ins Gespräch kommen.

Auch nach diesem Workshop erhielten die Feuerwehren wieder eine Zusammenfassung der Ergebnisse und weitere wichtige Inputs vom Team des LFV Bayern. Über die Sommermonate stehen die weitere Planung und Umsetzung der Maßnahmen in den Pilotfeuerwehren an. Lassen Sie sich überraschen, welche Ideen die beteiligten Projektfeuerwehren entwickelt haben, um die Vielfalt in aktiver Mannschaft und Verein zu steigern. Alle wichtigen Informationen und Methoden, die in den Workshops erprobt wurden, sowie die Ideen und Erfahrungen der Pilotfeuerwehren werden in einen Handlungsleitfaden für alle Bayerischen Feuerwehren einfließen, der zum Projektende 2025 vorgestellt werden wird.

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Andrea Schießl

Projekt- und Netzwerk-Koordinatorin Freiwilligenmanagement

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Dr. Marina Wieluch

Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Social Media und PR

089 388372-18