WARUM IMMER MEHR FRAUEN IN DIE FLAMMEN GEHEN - Von wegen Feuerwehrmänner...

20. November 2018
LFV Bayern KFV/SFV Facharbeit Jugendfeuerwehr Freiwillige Feuerwehr Frauen zur Feuerwehr Bayern Feuerwehr Ehrenamt

146 FFW-Frauen aus allen Ecken des Landkreises Cham bilden sich im Rettungszentrum fort.

Von Feuerwehrmännern kann eigentlich nicht mehr die Rede sein. Eher von Feuerwehrleuten. Warum? Das zeigte sich Donnerstagabend im Rettungszentrum. Denn dort trafen sich 143 Feuerwehrfrauen aus allen Ecken des Landkreises zur Fortbildung. Zwar findet diese Großveranstaltung nur einmal im Jahr statt, doch Roswitha Meier, Frauenfachbereichsleiterin beim Kreisfeuerwehrverband, weiß, dass das Interesse des weiblichen Geschlechts an diesem Notfallhilfsdienst steigt. Und das ist auch dringend nötig, wie sie in einem Gespräch mit der Chamer Zeitung unterstreicht.

Hans Korherr und Dietmar Hastreiter erläuterten Feuerwehrfrauen aus allen Teilen des Landkreises am Donnerstagabend das Thema "Absturzsicherung".

Für die jährlichen Treffen werden immer wieder andere Standorte gewählt. Nach der Eröffnung der neuen Feuerwache vor einem Jahr habe sich nun Furth angeboten. Die Themen des Abends waren natürlich den Schwerpunkten der Grenzstadt-Wehr entsprechend. Zum einen ging es um die Ausbildung und das Training aller Atemschutz-Geräteträger im Landkreis Cham sowie deren Ausrüstung, zum anderen um das Thema "Absturzsicherung", in dem die Further Feuerwehr mit Hans Korherr vor Jahren Vorreiter in der Region war.

"Ich freue mich sehr, dass so viele nach Furth gekommen sind": Roswitha Meier, Frauenfachbereichsleiterin des Kreisfeuerwehrverbandes, bei ihrer Begrüßung.

Begrüßt wurden die 143 Damen neben Roswitha Meier und später von Kreisbrandrat Michael Stahl auch von Bürgermeister Sandro Bauer, der neben Kommandant Christian Scheuer das Rettungszentrum kurz vorstellte. "Was hier entstanden ist, hat wirklich Vorbildcharakter", unterstrich das Stadtoberhaupt. So kam erst kürzlich die Stadt Erding zur Besichtigung und am Donnerstagnachmittag die Stadt Alzenau, um sich detailliert über die bisher bayernweit einmalige bauliche Konstellation, eine Feuerwehr- und eine Rettungsdienstwache unter einem Dach zusammenzufassen, zu informieren. "Die planen etwas Ähnliches wie wir hier in Furth", so Bauer. Bis das Rettungszentrum jedoch stand, gingen rund zwei Jahrzehnte der Vorplanung voraus. Letztendlich habe sich jedoch das Warten gelohnt, insbesondere was die Kombination mit dem BRK betreffe. Scheuer: "Die Kooperation mit dem Bayerischen Roten Kreuz hat sich bereits bewährt - sowohl dienstlich als auch kameradschaftlich." Er erläuterte den Feuerwehrfrauen auch die Aufgaben, welche die Further Feuerwehr für den Landkreis leistet: Neben "Atemschutz" sind dies die Bereiche "Gefahrgut" sowie "Zentrale Pflegestelle für Einsatzkleidung".

Anschließend wurden die Damen in mehrere Gruppen aufgeteilt. Ihnen wurden dabei nicht nur die Besonderheiten des Further Rettungszentrums gezeigt (insbesondere die Atemschutz-Werkstatt und die Trainingseinrichtung, die alle Atemschutz-Träger im Landkreis einmal pro Jahr durchlaufen müssen). Mehrere Feuerwehrleute unter der Führung von Hans Korherr demonstrierten ihnen auch die vielfältigen Möglichkeiten der Absturzsicherung im Feuerwehr-Einsatz. Sie führten dabei die Sicherung von Einsatzkräften in luftiger Höhe ebenso vor wie das Retten von Verletzten aus Schächten oder mit Hilfe des sogenannten "Leiterhebels" von Dächern. Roswitha Meier zeigte sich am Ende sehr zufrieden: "Es war ein überaus interessanter, schöner Abend!"

Von wegen schwaches Geschlecht... Bei Verkehrsunfällen helfen sie an der vordersten Front Verletzten oder sichern die Einsatzstellen. Bei Bränden verlegen sie Schlauchleitungen oder gehen sogar mit einer knapp 20 Kilo schweren Ausrüstung unter Atemschutz in brennende Häuser. - Frauen sind bei Freiwilligen Feuerwehren mittlerweile keine Seltenheit, sondern Normalität. Und das ist auch enorm wichtig, wie Roswitha Meier betont.

Sie muss es wissen, denn die Rodinger Kindergärtnerin vertritt seit Jahren die Frauen der Feuerwehren im Landkreis Cham. Sie ist aber nicht nur deren Sprachrohr, sondern auch Motor bei Aus- und Fortbildung. Dabei geht Meier selbst als gutes Beispiel voran, als aktive Feuerwehrfrau bei der FFW Stadt Roding und dabei auch als Atemschutz-Geräteträgerin. Übrigens: Ihren Lehrgang, um im wahrsten Sinne des Wortes ins Feuer zu gehen, schloss sie einst als Beste ab.

Die Zeiten, als Feuerwehrfrauen als schwaches Helferlein für alles, wofür gerade kein Mann zur Verfügung steht, betrachtet wurden, sind ihrer Einschätzung nach längst vorbei. Heute seien viele Feuerwehren auf Frauen, die gut ausgebildet sind und zu den Einsätzen ausrücken, angewiesen. Warum? Weil die Zahl der Aktiven längst nicht mehr so hoch ist wie noch vor einigen Jahren. Und weil viele Männer aus beruflichen Gründen tagsüber nicht mehr in ihrem Heimatort zur Verfügung stehen.

"Deshalb sind Frauen gerade bei Tagesalarmen sehr wichtig, um den Bürgern eine schnelle Hilfe gewährleisten zu können", betont Meier. Folglich seien sie mittlerweile bereits in nahezu allen Aufgabenbereichen zu finden und dabei eine wertvolle Stütze - von der Vereinsarbeit bis zur Atemschutz-Geräteträgerin, die einen Gebäudebrand löscht, oder Gruppenführerin. "Sie stehen ihren Mann", betont Rosi Meier schmunzelnd.

Dabei decken sie nahezu jedes Alter ab. "Von 18 bis weit über 50 Jahren sind Frauen bei der Feuerwehr", weiß die Fachbereichsleiterin beim Kreisfeuerwehrverband. Und sie seien mit großer Motivation bei der Sache, wofür sie nicht nur die enorme Resonanz auf den Fortbildungsabend am Donnerstag im Further Rettungszentrum als Beispiel nannte, sondern auch das rege Interesse an verschiedenen Lehrgängen das Jahr über. So kommt es, dass sich in vielen Feuerwehren im Landkreis Cham Frauen im aktiven Dienst finden; nur noch wenige seien reine Männerwehren.

Bis jedoch Frauen in dieser maskulinen Welt ihren Platz gefunden haben, dauerte es rund zwei Jahrzehnte. Zu verdanken ist dies auch der guten Arbeit, welche der Fachbereich "Frauen" im Kreisfeuerwehrverband Cham leistet. Nicht umsonst gilt dieser aufgrund seiner Aktionen und seines Erfolgs bayernweit als Vorzeigemodell. "Da sind wir schon etwas stolz darauf", gesteht Meier.

Interview mit einer Feuerwehrfrau

Die Furtherin Ramona Engl ist leidenschaftliche Feuerwehrfrau und war bereits bei vielen Notfällen an vorderster Front im Einsatz. Im Rahmen unserer Interview-Reihe "Zehn Fragen" sprachen wir mit ihr über ihre Motivation und ihre Erfahrungen in der nach wie vor von Männern geprägten Feuerwehr-Welt.

Chamer Zeitung: Warum hast Du Dich als junges Mädchen entschlossen, einer Feuerwehr beizutreten, nicht einem anderen Verein, der eher mädeltypisch ist?

Ramona Engl: Die Feuerwehr war damals bei uns in der zweiten Klasse der Grundschule, um ihre Bambini-Gruppe vorzustellen. Das hat mich dann so begeistert, dass ich es einfach 'mal ausprobieren wollte. Und diese Begeisterung ist seit mittlerweile 20 Jahren geblieben.

Chamer Zeitung: Nach Jahren in der Jugend bist Du mit 16 Jahren in die aktive Mannschaft übernommen worden. Seit damals machst Du vieles, was Männer auch machen. Du gehst unter Atemschutz in brennende Häuser und schneidest Schwerverletzte aus Unfallautos. Hand aufs Herz, kommst Du nicht manchmal an Deine Grenzen?

R.E.: Klar, körperliche Grenzen gibt es natürlich, aber die kann ich mittlerweile sehr gut einschätzen und ich hab' auch kein Problem damit. Zum Beispiel die Rettungsschere im Einsatz abzugeben, wenn es nicht mehr geht. Und an die psychischen Grenzen kommen meine männlichen Kameraden genauso wie ich, da gibt es eigentlich keinen Unterschied.

Chamer Zeitung: Was war Dein schlimmster Moment, was Dein schönster bei der Feuerwehr?

R.E.: Mein schlimmster Moment? Das war der Tunneleinsatz (Unfall am Drachenstichsonntag mit einer Toten und einem Schwerstverletzten, Anmerk. d. Red.). Der war sehr belastend für uns alle, zumal er in einer sehr einsatzreichen Zeit mit vielen schweren Unfällen und auch Bränden war. Aber generell gehören Einsätze mit Schwerverletzten oder gar Toten zu den schlimmen Momenten in der Feuerwehr. Mein schönster Moment? Da gibt es einige: Übungen und Einsätze in unserer Feuerwehr, bei denen die besondere Gemeinschaft spürbar wird, oder auch das gemütliche 'Zamsitzen' im Florian-Stüberl nach dem Einsatz; die Feuerwehr ist meine zweite Heimat und Familie.

Chamer Zeitung: Was hältst Du Männern entgegen, die sagen: Die Feuerwehr ist nichts für Frauen, denn sie sind zu schwach!

R.E.: Falls sie nicht selbst bei der Feuerwehr sind, würde ich sagen, sie sollen es erst 'mal nachmachen. Und von Feuerwehrmännern höre ich das nicht. Ich glaube, denen konnte ich schon das Gegenteil beweisen.

Chamer Zeitung: Warum glaubst Du sind Männer - wenn auch hinter vorgehaltener Hand - immer noch gegen Frauen bei der Feuerwehr, obwohl diese dringendst benötigt werden. Dringen Frauen hier in eine der letzten Männerdomänen vor?

R.E.: Das ist mir leider auch unbegreiflich. Aber spätestens wenn sie selbst 'mal Hilfe brauchen, die dann ausgerechnet auch noch von einer Frau geleistet wird, werden sie ihre Meinung schon ändern. Ich persönlich hatte jedoch noch nie das Gefühl, bei der Feuerwehr nicht willkommen zu sein.

Chamer Zeitung: Was bringt das Engagement als aktive Feuerwehrfrau Dir selbst? Bist Du dadurch beim Umgang mit Gefahrensituationen im Alltag cooler geworden?

R.E.: Ich glaub schon, dass ich mit manchen Situationen anders umgehe, weil ich einfach mit der Feuerwehr aufgewachsen bin und dadurch schon viel gesehen habe, was durch Leichtsinn alles passieren kann. Zudem hat man auch ein anderes Gespür für Gefahrensituationen.

Chamer Zeitung: Warum sollten Frauen sich trauen, einer Feuerwehr beizutreten? Was würdest Du denen sagen, die Zweifel haben?

R.E.: Denen würde ich das gleiche sagen wie auch Männern: Einfach ausprobieren und dann merken, wie viel Spaß es macht! Jede helfende Hand wird gebraucht, selbst wenn es nicht unbedingt direkt an vorderster Front ist.

Chamer Zeitung: Du hast bei der Feuerwehr Deinen Ehemann kennengelernt. Wie sehr bestimmt das Thema Feuerwehr das Leben der Familie Ramona und Tobias Engl?

R.E.: Die Feuerwehr beeinflusst unser Leben schon sehr; angefangen von unseren fast wöchentlichen Heimfahrten, um unsere Arbeit als Jugendwarte weiterführen zu können, über geplante Aktivitäten, die dann ausfallen, weil sich der Piepser meldet, die wöchentlichen Übungen, bis hin zu unserer Zukunftsplanung, die sich unter anderem auch wegen der Feuerwehr wieder auf Furth konzentriert. Rechnet man alles zusammen, so kommt mit dem ein oder anderen Einsatz schon ein Zeitaufwand von leicht zehn Stunden pro Woche zusammen. Dass Tobias auch bei der Feuerwehr ist, erleichtert das natürlich sehr; Feuerwehr ist eben kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Wir machen es gerne!

Chamer Zeitung: Ihr beide seid in der Jugendarbeit sehr engagiert. Was müsste sich ändern, damit für die Heranwachsenden die Feuerwehr noch attraktiver wird?

R.E.: Das ist eine Frage, über die wir uns auch intensiv Gedanken machen. Wir versuchen, die Jugendarbeit noch attraktiver zu gestalten, indem wir sehr viele praktische Übungen mit unserem Feuerwehr-Nachwuchs machen. Auch wenn dies für uns sehr zeitintensiv und in Zeiten von Couchsurfing und Smartphones immer schwieriger ist und wir oft ganze Wochenenden mit der Vorbereitung verbringen, scheint es sich zu lohnen. Das zeigt sich auch daran, dass wir derzeit wieder steigende Mitgliederzahlen haben.

Chamer Zeitung: Immer mehr Feuerwehren klagen über einen Rückgang der verfügbaren Einsatzkräfte. Immer weniger stellen sich für diesen entgeltlosen Dienst zur Verfügung - teils aus beruflichen Gründen, teils mangels Interesse. Siehst Du hier eine wachsende Gefahr, den "Luxus", dass zu jeder Tages- und Nachtzeit innerhalb von Minuten Hilfe gewährleistet wird, gefährdet? Wie könnte dem entgegengesteuert werden?

R.E.: Das ist natürlich ein Problem. Auch wir bei der Further Wehr merken das schon deutlich. Ich glaube, es müsste sich vor allem gesellschaftlich was ändern. Die Feuerwehr wird immer mehr zum Mädchen für alles. Da wird man schon 'mal nachts alarmiert, um eine umgefallene Mülltonne aufzuheben, um es überspitzt zu sagen. Aber auch die leider wachsende Mentalität gemäß "die anderen werden es schon machen" trägt meiner Meinung nach dazu bei, dass es immer weniger werden, die helfen wollen. Es muss sich einfach 'mal jeder selber an die Nase fassen: Jeder gesunde Bürger, der im Notfall Hilfe erwartet, sollte auch bereit sein, Hilfe zu leisten!

Info

Ramona Engl, eine geborene Kussinger, ist studierte Sozialpädagogin. Seit 1996 gehört sie der Feuerwehr Stadt Furth im Wald. Folglich trat sie bereits mit acht Jahren in die Bambini-Gruppe ein. Neben der Ausbildung in der Jugend meisterte sie auch andere Ausbildungshürden auf ihrem Weg zur Feuerwehrfrau, unter anderem den als Männer-Domäne geltenden Lehrgang zum Atemschutz-Geräteträger. Sie hat seitdem etliche Brandeinsätze als Atemschutzträgerin, bei denen sie in brennende Häuser ging oder Flammen von der Drehleiter aus bekämpfte, absolviert. Zudem befreit sie mit Rettungsschere und -spreizer Unfallopfer aus Wracks. Abgesehen von Einsätzen engagiert sie sich zusammen mit Ehemann Tobias Engl in der Jugendarbeit.

(Quelle: Th. Linsmeier, Chamer Zeitung)