Fahrzeugüberführung nimmt abenteuerlichen Charakter an

2. April 2023
KFV/SFV Ukraine Spenden

Ein 35 Jahre altes Tanklöschfahrzeug der Feuerwehr Erlangen wird auf einer außergewöhnlichen Reise an die ukrainische Partnerstadt Browary übergeben.

Nachdem am Donnerstag, den 16. März 2023 auf dem Hof der Hauptfeuerwache in Erlangen bereits die offizielle Entsendung stattfand, machte sich am folgenden Morgen eine fünfköpfige Delegation auf den Weg, ein ausgesondertes Tanklöschfahrzeug (TLF 24/50) in die Ukraine zu überführen. Ein 35 Jahre alter Mercedes-Benz Truck mit 5.000 Liter Löschwassertank und fest installiertem Schaum-Wasserwerfer auf dem Dach. Das 250 PS starke TLF war nach über 25 Jahren Dienst auf der Ständigen Wache noch bis zuletzt für die Feuerwehr Frauenaurach im Einsatz. Da es noch immer voll funktionsfähig, im Vergleich mit jüngeren Generationen dank der schlichten Elektronik sogar unanfälliger für Störungen ist, hatte man damit ein ideales Fahrzeug für unsere ukrainische Partnerstadt zur Hand.

Als abzusehen war, dass es sich um einen lang andauernden Kriegszustand handeln wird, wurde in Erlangen der Entschluss zur Gründung einer deutsch-ukrainischen Städtepartnerschaft gefasst. Beeindruckt vom unbändigen Willen des ukrainischen Volkes wollte man frühzeitig gezielt unterstützen. Nachdem bereits mehrere Generatoren per Spedition in die Partnerstadt Browary entsandt wurden, ergab sich die Möglichkeit ein gebrauchtes Tanklöschfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Postwendend wurde auf die Erlangener Anfrage mit einer starken Interessensbekundung reagiert. Der Abgleich der technischen Daten schmälerte selbiges keineswegs. Im Gegenteil, bei der späteren Übergabe machten die ukrainischen Kameraden noch einmal deutlich, welchen enormen Stellenwert dieses Fahrzeug und die damit verbundene Hilfe aus der Hugenottenstadt doch hat.

So war es letztlich umso packender, das Fahrzeug persönlich übergeben zu haben. Freilich war es möglich, das Fahrzeug per Tieflader-LKW direkt nach Browary liefern zu lassen. Doch wir wollten bewusst ein Zeichen des Zusammenhalts und der Solidarität setzen. Ein erstes persönliches Aufeinandertreffen der neuen Partner, ein erster direkter Austausch, der erste Handschlag und die erste Umarmung mit unseren Verbündeten. Sicherlich ein bewegender Moment für beide Seiten. Aber der Reihe nach.

Aufbruch in Richtung Krakau

Am Freitagmorgen machte sich gegen 7:00 Uhr die Überführungsmannschaft, bestehend aus den beiden hauptamtlichen Kollegen Uwe Seitz und Markus König, den beiden ehrenamtlichen Kameraden der FF Erlangen Stadt Bernd Brehm und Jan Ral, gemeinsam mit Peter Steger, dem Beauftragten der Erlangener Städtepartnerschaften, auf die Reise. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner der beteiligten welch abenteuerliche Züge die Fahrt annehmen sollte. Verabschiedet durch die beiden Amtsleiter führte uns das erste Etappenziel über 800 Kilometer in ein kleines Hotel hinter Krakau in Polen. Nachdem wir am Abend nach guter Fahrt auf Katowice zu steuerten, war die Euphorie noch groß. Freudestrahlend der dato noch reibungslosen Fahrt sehnte man sich dem gemütlichen Ausklang des Abends entgegen. Bis sich ein Geruch von Öl-Dunst breit machte. Zuerst nicht weiter beeindruckt, setzten wir die Fahrt unbeirrt fort. Achtsam wurden wir dann, als der Geruch nicht mehr nur dem folgenden Begleitfahrzeug auffiel, sondern auch in der Fahrerkabine des TLF einzog. Über mitgeführte Handfunkgeräte kurz ausgetauscht, behielten wir die ganze Sache im Blick. Bei gleichbleibender Intensität sollten wir uns nicht allzu große Sorgen machen müssen. Ein jähes Ende bereitete unserer Euphorie eine plötzlich auftretende Qualm-Wolke, welche unser Mehrzweckfahrzeug nun umhüllte. Diese zu übersehen wäre auch kaum möglich gewesen. Dennoch wollte unser TLF noch mittels roter Warnleuchte auf ein Problem mit dem Mitteldifferential hinweisen. Zwar mit deutlicher Verzögerung, aber immerhin! So ließ sich das Problem zumindest schon auf eine Baugruppe eingrenzen. Im Schnecken-Tempo, noch rund 80 Kilometer vor unserem Etappenziel, suchten wir die nächste Haltemöglichkeit abseits der Autobahn auf.

Ein Blick unter das Fahrzeug bereitete Sorgen

Ein kurzer Blick unter den LKW ließ schlimmes erahnen. Eine ölverschmierte Hinterachse samt Differentialgetriebe und Schleuderketten machte deutlich, was wir gerochen und vermutet hatten. Nach Feststellung unserer möglichen Optionen, schien es uns am sinnvollsten, nach einer ausgiebigen Abkühlphase, die restliche Strecke zur Unterkunft mit gemäßigtem Tempo und Gottvertrauen in die Robustheit älterer Lastkraftwagen zurück zu legen und sich dem Problem am nächsten Morgen anzunehmen. Mit geringst-möglicher Drehzahl erreichten wir die Unterkunft nach rund 14 Stunden auf Achse. Nach erlösender Dusche und einer Mahlzeit wurden die Möglichkeiten des nächsten Tages bei einem Feierabendbier besprochen. Auch versuchten wir über unseren Dolmetscher Peter erste Kontaktaufnahmen zur Krakauer Feuerwehr zu starten. An diesem Abend leider ohne nennenswertes Ergebnis. Parallel tat sich eine möglicherweise vielversprechende Lösung über einen unserer hauptamtlichen Kollegen auf. Dieser war in den vergangenen Wochen in der Ukraine und Polen im humanitären Einsatz. Während dieser Zeit machte er unter anderem gute Bekanntschaft zu einer KFZ Werkstatt, welche er nach bestem Wissen und Gewissen empfehlen konnte. Das gute dabei, „der Automacher“ lag auf der Wegstrecke unserer zweiten Etappe. Der Haken an der Sache… die Werkstatt war rund 140 Kilometer entfernt.

Improvisation ist des Feuerwehrlers stärke

Am nächsten Morgen wurde beim Frühstück das weitere Vorgehen besprochen. Peter Steger hatte es geschafft Kontakt zur Berufsfeuerwehr in Krakau herzustellen. Leider war deren Werkstatt nur unter der Woche besetzt. Somit entschieden wir uns dazu, die Strecke zum Automacher in Rzeszów, unter vorheriger Selbsthilfe anzutreten. Glücklicherweise hatte die Tankstelle am Hotel Getriebeöl vorrätig. Mit einem fünf Liter Kanister im Gepäck fuhren wir um dann zu einem Baumarkt in der Nähe. Hier besorgten wir uns notwendiges Zubehör. Ein Trichter, ein Messbecher und ein Malervlies als saugfähige Unterlage waren die Ausbeute. An einem der Autobahnauffahrt angrenzenden Parkplatz füllten wir nun Öl im Getriebe nach. Das nötige Bordwerkzeug hatten wir ja als Normbeladung des Fahrzeugs dabei. Was in aus einer Grube heraus mit dem richtigen Equipment eine Leichtigkeit ist, gestaltet sich in dieser Situation doch eher als kleine Herausforderung. Nach uns geglückter Auffüll-Aktion ging es nun endlich in Richtung Rzeszów. Wieder mit gedrosselter Geschwindigkeit, aber guter Dinge. Gegen 11:30 Uhr erreichten wir den Automacher. Unser Kollege Daniel erwartete uns bereits freudestrahlend an der Zufahrtsstraße. Nach kurzer Begrüßung navigierte er uns an einer Tankstelle und einem Fuhrunternehmen vorbei auf leicht unwegsames Gelände. Von weitem einem Schrottplatz anmutend, zeigte aus der Nähe ein Sammelsurium von alten Schätzen. Panzer und Militärfahrzeuge, alte Ost-Löschfahrzeuge neben einem LKW vom Technischen Hilfswerk und einer Vielzahl an US-Oldtimern. Ein wenig versteckt hinter einem Transporter der Werkstatt eine weiß strahlende Hummer-Stretch-Limousine. Wir waren angekommen. Herzlich Willkommen bei den Steel Buddies Poland.

Ihr helft der Ukraine, wir helfen der Ukraine

Kaum auf dem Hof, eilten bereits mehrere Mechaniker herbei. Entgegen unserer heimischen Gewohnheit, wurden wir auch am Samstagmittag herzlich empfangen. Der Chef der Werkstatt erkundigte sich kurz nach der Lage und fuhr das TLF auf die bereits vorbereitete Grube. Drei seiner Mitarbeiter und er selbst kümmerten sich von nun an um unser Problem. Zuerst erhielt das TLF eine intensive Reinigung des Fahrgestells, um es vom ausgelaufenen Öl zu befreien. Anschließend wurde in allen (Differential-) Getrieben das Öl aufgefüllt. Eine anschließende Probefahrt sollte dann Aufschluss über Leckage und mögliche Beschädigungen geben. In der Zwischenzeit konnten wir die Wartezeit zum Sightseeing und zur Stärkung nutzen. Es gab auf dem Gelände der Werkstatt ja auch viel zu entdecken. Eine weitere Probefahrt sollte dann den Verdacht unserer Mechaniker erhärten. Ein letztes Mal Öl auffüllen und dann war es um kurz vor 14 Uhr soweit für die Übergabe. Mit Händen und Füßen, unter vollem Körpereinsatz wurde uns der einfache, jedoch folgenschwere Defekt, vor und unter dem Fahrzeug erläutert. Ein geplatzter Luftschlauch verursachte den Ölverlust. Mit steigender Temperatur im Getriebe dehnte sich das Öl aus und es stieg auch der Druck. Über die Leckage am Schlauch entwich dann das Öl. Die Reparatur war zwar nicht mehr umsetzbar, aber die Weiterfahrt war möglich. Zwar weiterhin mit gemäßigter Geschwindigkeit, aber unser Ziel rückte wieder ein großes Stück näher. Nach der Übergabe völlig verstaubt, aber überglücklich. Wir freuten uns über die positive Meldung der Automacher, deren Chef freudestrahlend über ihre geleistete Unterstützung. Allerdings sollte sich seine Miene bei der Frage nach dem Preis noch verziehen… Fast schon beschämt wegen der Frage nach der Bezahlung konterte er - dann wieder breit grinsend - „mit einem Handschlag“. Völlig perplex konnten wir es kaum glauben. Aber er bestand darauf. „Ihr helft der Ukraine, wir helfen der Ukraine!“

Es sind nur noch 100 Kilometer

Wir setzten um 14 Uhr die Fahrt in Richtung Grenzübergang Korczowa-Krakowez fort. Wir hatten noch 100 Kilometer über die Grenze bis zu einer Tankstelle auf der ukrainischen Seite vor uns. Doch zuerst wurde noch eine Ausfuhrgenehmigung für das TLF benötigt. Diese Information hatten wir von Jena erhalten. Glücklicherweise. Jena ist die dritte Partnerstadt im gemeinsamen Bund mit Browary. Die Kollegen hatten leider weniger Erfolg. Sie mussten leider nach mehrstündigem Aufenthalt am Grenzübergang schmerzlich feststellen, dass dieses Papier benötigt wird. So hieß es mit ihren beiden Fahrzeugen Retoure ins 80 Kilometer vor der Grenze liegende Radymno. Dort gibt es, ganz unscheinbar, in einem Tankstellengebäude integriert, das Büro einer Zollbehörde. Diese stellt die Genehmigungen zur Ausfuhr der Fahrzeuge aus. Wenn dann nicht erneut das lange Procedere an der Grenze käme. So waren wir über den Hinweis mehr als froh, da wir ja eh schon einige Stunden Verzögerung durch Reparatur, Schleichfahrt und Selbsthilfe hatten. Gesagt, getan. Auf zum Zoll Büro. Wenn wir nicht nach kurzer Zeit wieder eine starke Qualm Wolke hinterher gezogen hätten. Nothalt auf dem Standstreifen der Autobahn. Mit unserem neuen Kenntnisstand machten wir uns jetzt zumindest weniger Sorgen. Klar, wir hatten jetzt wieder ein Vielfaches an Öl im Getriebe, welches sich auch entsprechend mehr ausdehnt. Somit ein früherer Austritt… Auto 15 Minuten abkühlen lassen und Fahrt gedrosselt wieder aufnehmen. Nach kurzer Fahrt in Radymno angekommen, wurde die Genehmigung beantragt. Ganz ohne Verwaltungsakt geht es halt doch nicht. Leider hatte die eine Dame im Büro nicht nur unser Fahrzeug zu bearbeiten. Einen ordentlichen Stoß an Papieren zur Ausfuhr vor sich, gab sie ihr Bestes. Dennoch gut gelaunt und mit einem Lächeln auf den Lippen vertröstete sie unsere mehrfache Nachfrage der restlichen Wartezeit. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich zumindest ein doch beeindruckend großes und uriges Blockhaus mit einem Restaurant. Es galt letztlich wieder zwei Stunden zu überbrücken. Die Entscheidung doch bereits eine Kleinigkeit zu essen, sollte sich noch als sehr wertvoll herausstellen.

Auf der Zielgeraden zur Tortur

Am Grenzübergang angekommen, wurden wir von einem Polizisten einem Fahrstreifen zugewiesen. Vor uns eine Fahrzeug-Schlange von circa 500 Metern Länge. Es geht nur sehr schleppend voran, obwohl es laut unserem Kollegen, der in den vergangenen neun Wochen den Grenzübergang ganze vierundzwanzig Mal passierte, sehr überschaubar war. Es sollte eigentlich relativ schnell gehen. Was üblicherweise zu Verzögerungen führt, sind militärische Transportkonvois. Nach rund 30-minütiger Wartezeit konnten wir einen solchen beobachten. Eskortiert von einem Blaulicht-PKW zogen vermutlich 30 Sattelzüge zügig an uns vorbei. Diese sind an der Grenze vorangemeldet und haben vor allem Vorrang. Selbst Intensivtransporte mit Sondersignal müssen warten. Was uns hinter Ihren Plane-Spriegel Aufbauten verborgen blieb lässt sich nur erahnen. In der aktuellen Situation, in der sich das Land befindet, können wir diese Vorgehensweise mehr als nur nachvollziehen und nehmen eine gewisse Wartezeit gerne in Kauf. Als wir uns die nächste Stunde keinen Millimeter bewegten, wurde es dann doch langsam etwas unverständlich. Einzig auf der „Diplomaten Spur“ konnten Bewegungen vernommen werden. Diese haben ebenso wie Militärtransporte Vorrang. Große, schwarze Limousinen, unter anderem mit Kennzeichen aus Kiew, fuhren im Eiltempo über die Grenze. Irgendwann folgten ältere Kleinwagen mit polnischen Kennzeichen. Sie wirkten auf uns weniger wie Fahrzeuge von Diplomaten. Fuhren dennoch zügig hindurch. Wir hatten uns immer noch nicht bewegt. Es schien uns nach einem Schichtwechsel des Grenzpersonals auszusehen. Die Uhr zeigte uns 19 Uhr, es könnte tatsächlich die Nachtschicht beginnen. Der Ausblick nach rechts stimmte uns nicht gerade besser. Parallel zur Autobahn A4 führt eine Landstraße ebenso zur Grenze. Diese war für den Schwerlastverkehr ausgewiesen. Eine mehrere Kilometer lange Reihe von Sattelzügen wartete dort auf die Abfertigung. Gefühlt rührte sich hier noch weniger. Es machten sich bereits Gedanken breit, ob wir denn auch auf die Spur des Schwerlastverkehrs hätten wechseln müssen. Der relativ freundlich blickende Polizeibeamte hatte uns aber doch auf diese Spur verwiesen und nicht, wie es bei falscher Einreihung wohl üblich ist, zurück an das Ende einer anderen Spur geschickt. Irgendwann ging es dann doch ein Stück voran. Ziemlich zäh, aber immerhin. Nach einer weiteren Stunde waren wir an vorderster Stelle, bevor überhaupt einmal die erste Signal- und Schrankenanlage erscheint, angekommen. Uns erwarteten zwei sehr „sehr gut aufgelegte“ Grenzmitarbeiter. Mit sehr energischer Stimme wollte uns der kleinere der beiden nette Hinweise in polnischer Sprache vermitteln. Hinweise in einer Lautstärke, dass wir es bei geschlossener Scheibe und laufender Dieselmaschine zwar hören, aber nicht verstehen konnten. Die Fensterscheibe herab gekurbelt entgegneten wir mit dem Hinweis bitte englisch zu sprechen. Wie man es für Beschäftige an einer EU-Außengrenze eigentlich nicht erwartet wurde uns „no english“ entgegengebrüllt, gefolgt von einer Welle von polnischen Sprachfolgen. Bei genauerem hinsehen stellten wir fest, dass die Aufmachung der beiden Kameraden nicht auf übliche Grenzbeamte hinwies. Eine Kombination aus alter Militärkleidung und privat eigebrachten Habseligkeiten erweckten leider eher den Eindruck eines Hilfssheriffs aus dem wilden Westen. Aber immerhin reichte es für den großen, untersetzten Kollegen zur Eignung zum Mitführen einer Maschinenpistole. Durch umherfuchteln mit der sogenannten Uzi versuchten Sie dem Ausruf „Driver Out“ Nachdruck zu verleihen. Nun also Angesicht zu Angesicht. Weiter lief der Polnische Appell. Irgendwann flossen dann doch englische Ausführungen mit ein. Wir hätten die falsche Spur befahren. Nach kurzer Zeit eilte Peter hinzu. Der Versuch in slawischer Sprache zu Vermitteln stieß, ebenso wie unsere englischen Ausführungen, auf Widerwillen. Nachdem der Kleinere mit dem Versuch einschüchternder Präsenz des Großen seine Macht demonstrierte, ließ er uns dann gnädiger Art und Weise passieren. In Dankbarkeit über die Großmut der beiden „Solospur-Grenzanfahrts-Bewacher“ begannen wir uns fort zu bewegen. Unter übertriebenem Deuten mit beiden Armen inklusive Uzi, als würden wir die einzige LKW-Fahrspur nicht selbstständig erkennen können, bogen wir um die Kurve, überfuhren die Einmündungsbereich der Landstraße, an der sich noch immer kein LKW bewegt hatte, und erreichten die erste Schranke.

Schlimmer geht immer

An dieser Stelle trennten sich die Wege des TLF und des begleitenden MZF. Dieses reihte sich in der Schlange der PKW Tax Free ein. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte. Das TLF erreichte eine LKW Waage. Die Mitarbeiterin im dortigen Häuschen signalisierte uns per Handzeichen dem vorausfahrenden Sattelschlepper zu folgen. Als wir jedoch zu weit gefolgt waren, also ihrer eigentlichen Anweisung gefolgt waren, stand sie wutentbrannt neben unserem Fahrzeug und beorderte uns zurück an ihren Schalter. Dort wurden zum ersten Mal unsere Pässe und Unterlagen kontrolliert. Nach einer Standpauke durften wir uns in einer von zwei Schlangen einreihen. Hier ging es wieder im 10-Minuten Takt je eine LKW-Länge vorwärts. Da wir keinerlei Piktogramme oder Hinweistafeln in verschiedenen Sprachen feststellten, orientierten wir uns weiterhin an unseren Vordermann. Irgendwann waren wir am Ende eines Art Kontrollbereiches angekommen. Hier ging es im Reißverschlussverfahren wieder auf eine Spur und ums Eck stand der nächste Grenzbeamte. Dieser wollte erneut unsere Papiere und einen Passierschein, den wir an der Waage erhielten, jedoch nicht entziffern konnten. Wir wurden zu einer erneuten Passkontrolle namentlich aufgerufen. Ein Blick rund ums Fahrzeug herum und wir wurden einer Fahrspur in der vor uns befindlichen Halle zugewiesen. Was uns dort erwarten sollte wussten wir wieder nicht. Auch hier orientierten wir uns erneut an unserem Vordermann. An einer Rampe auf Höhe der LKW-Fahrerhäuser versammelten sich alle Fahrzeuglenker an einem Schalter. Hier wurden erneut unsere Papiere, nach Überreichung des vorhergehenden Postens, gecheckt. Weit und breit keine Hinweise ersichtlich. Nach einer halben Stunde am Schalter abgefertigt, beobachteten wir, wie die anderen LKW-Fahrer zurück in deren Fahrzeuge stiegen und sich für die Weiterfahrt vorbereiteten. Wir folgten unserem Navigator mit dem weißen Sattelauflieger wieder unauffällig. Mit rotem Fahrzeug und Blaulichtern leider nicht unauffällig genug. Ehe wir zur erlösenden Schranke am Grenzausgang kamen, eilte der nächste Grenzbeamte lautstark herbei. Dieser war nach einer Tirade auf Polnisch zumindest der deutschen Sprache mächtig. Was uns doch einfällt einfach weiter zu fahren. Warum wir es nicht für nötig halten die Regeln zu befolgen, und, und, und. Müde der ständigen Erklärungen und Anschuldigungen ließen wir die nächste aerosolbehaftete Standpauke über uns ergehen. Unseren Rechtfertigungsversuch aufgrund fehlender Hinweise nahm er zum Anlass weiter zu schimpfen und uns Unfähigkeit zu bescheinigen. Man hat ja schließlich zu wissen welche Kontrollen an welchem Ort stattfinden. Sofort wurden wir in den Zollschalter zitiert. Dort erwartete man bereits zum vierten Mal unsere Papiere samt Pässen. Nachdem wir auch hier unsere Schuldigkeit getan hatten wurden wir zügig an die Schranke verwiesen. Wir hatten die polnische Seite jetzt umgehend zu verlassen, ehe es sich der nette Grenzbeamte anders überlege. Die lange Verweildauer auf der polnischen Seite der Grenze war auch nicht in unserem Interesse. Gerne hätten wir besser kooperiert, was aber anscheinend nicht gewollt war. Augenscheinlich ergötzte man sich lieber daran, eine Hilfsorganisation, offensichtlich im humanitären Einsatz, zu schikanieren. Keinerlei Hinweise, weder auf Tafeln, noch von den Grenzbeamten. Unterstützende Informationen für ungeübte Grenzgänger werden bewusst zurückgehalten um anschließend, schlecht gelaunt eigene Macht zu demonstrieren. Man fühlte sich nicht als EU Bürger der die EU verlässt, sondern eher als Aussätziger der in ein fremdes Land eindringen möchte. Als wir die letzte Schranke passierten stand unserem Mehrzweckfahrzeug die Kontrolle noch bevor. Parallel schafften sie lediglich Meter in ihrer Schlange gut zu machen.

Einreise in die Ukraine

Auf ukrainischer Seite ging es deutlich angenehmer von statten. Wir erhielten beim Übertritt einen Laufzettel. Darauf Kennzeichen und Anzahl der Reisenden notiert. Die LKW-Röntgenhalle konnten wir bereits umfahren. Wir wurden im Verhältnis nett von einem weiteren Grenzbeamten empfangen. Ein deutlicher Hinweis auf den anzufahrenden Schalter und wir bewegten uns dort hin. Beim Aussteigen erhielten wir den nächsten Hinweis, wieder vom gleichen Mitarbeiter. Wir können unser Fahrzeug weiter vorne am Parkplatz abstellen und anschließend zur Passkontrolle. Dies taten wir auch. Innerhalb weniger Minuten waren wir am Schalter an vorderster Stelle. Neben dem Aushang, welche Mitarbeiterin uns hinter der verspiegelten Scheibe entgegenblickte, vernahmen wir auch eine große Tafel mit Hinweisen in fünf verschiedenen Sprachen. Darunter sogar Deutsch. Welch ein Service. Der höflichen Beamtin drei Gesichter freudig gegenübergestellt, waren wir auch schon fertig. Stempel drauf und weiter zur Zollkontrolle. Am Schalter gegenüber warteten wir, bis wir an der Reihe waren. Leider wurden wir an ein Büro im Hauptgebäude verwiesen, da wir die Einfuhr des TLF genehmigen mussten. Sonst wären wir hier schon fertig gewesen. Die Bearbeitung der Einfuhrpapiere dauerte etwa über eine halbe Stunde. Währenddessen fiel uns immer wieder ein ukrainischer Offizier auf. Seine Aufgabe bestand wohl hauptsächlich darin in Erscheinung zu treten. Vermutlich der Beamte vom Dienst, gekennzeichnet durch seine Mütze. Hier war der sowjetische Einfluss noch deutlich zu spüren. Eine markante Schirmmütze, bei der der Deckel größer war wie der ganze Kerl. Farblich abgestimmt zur petrolfarbenen Uniform. Mit unterzeichneten Papieren und dem dritten Stempel auf unserem Laufzettel durften wir nun ausreisen. Ein Grenzbeamter nahm ihn entgegen und öffnete anschließend den Schlagbaum. Wir waren auf ukrainischem Boden angekommen. Direkt nach der Schranke fuhren wir in einen Kreisverkehr ein. Mit der ersten Ausfahrt erreichten wir nach wenigen Metern eine Tankstelle. Diese war der Ort für die Übergabe unseres TLF. Parallel verliefen mehrere Fahrstreifen zur Grenze hin. Alle Fahrstreifen, so weit wir blicken konnten waren voll mit Fahrzeugen zur Ausreise. Auf der ersten Spur standen zahlreiche Reisebusse. Direkt auf unserer Höhe ein knallgrüner FlixBus. Nach einer Ehrenrunde auf dem Gelände der Tankstelle trat ein weiteres deutsches Feuerwehrfahrzeug in Erscheinung. Das mussten die Kameraden aus Browary sein. Wir stellten das TLF daneben ab und stiegen aus.

Das erste Aufeinandertreffen

Wir wurden von zwei drahtigen Männern erwartet. Ein jüngerer, etwa Mitte Dreißig und der Ältere, Mitte Fünfzig. Beide sportlich, schlank, warteten vor einem Kleinbus der Feuerwehr Jena. Die Begrüßung fiel trotz der vielen Strapazen herzlich aus. Der Schulterschluss wurde wörtlich genommen. Ein fester Händedruck mit gleichzeitiger Umarmung. Auch wenn der größte Teil der Kommunikation über Peter auf slawisch stattfand, bedurfte es kaum Worte. Apropos Fahrzeug aus Jena. In der Zwischenzeit hatte unser MZF auf polnischer Seite Matthias aufgenommen. Matthias ist Peters Pendant im Jenaer Rathaus. Er kümmert sich dort auch um die Pflege der Städtepartnerschaften und war ebenfalls zur Unterstützung mit den Feuerwehrkameraden angereist. Aufgrund des massiven zeitlichen Verzugs hatte er jedoch die Übergabe abgewickelt und mit Peter die Rückreise vereinbart, sodass die Jenaer Kollegen umgehend die Rückfahrt antreten konnten. Leider hatten wir seit dem Grenzübertritt keinen Funkkontakt mehr zum MZF. Peter hielt trotz nun anfallender hoher Roaminggebühren den Kontakt per Telefon aufrecht. Leider musste Matthias ihm mitteilen, dass sie an vorderster Stelle der Grenze wieder nach hinten beordert wurden. Sie hatten die falsche Fahrspur gewählt. Auch hier lies man das Fahrzeug erst bis zum Äußersten fahren, ehe man wieder Willkür walten ließ. Mit ein wenig Flexibilität hätte man das Fahrzeug auch auf die Nebenspur ziehen lassen können, oder gar auf dieser Spur abwickeln können. Somit hieß es für uns weitere zwei Stunden warten. In der Zwischenzeit stärkten wir uns im Tankstellen Bistro und tauschten uns mit den Kameraden aus der Ukraine aus. Der Jüngere, Maxime, nutzte seine Kommunikationskanäle für eine spätere Hilfestellung aus. Würden wir uns am Grenzübergang wieder hintenanstellen müssen, dann wären wir wohl am nächsten Tag noch nicht zurück in Polen. Maxime konnte uns über seinen Kontakt mitteilen, dass wir den Kreisverkehr am Grenzausgang befahren können, um uns an vorderster Stelle des Staus einzureihen. Wir würden damit viele Stunden Wartezeit umgehen können. Dazu musste unser Mehrzweckfahrzeug nach der Einreise am Kreisel halt machen und durfte keinesfalls die Tankstelle direkt anfahren. In der Zwischenzeit erfuhren wir mehr über den kommenden Einsatz des TLF und auch über die beiden Kameraden. Der Ältere ist Kamerad der Berufsfeuerwehr in Browary, er berichtete unter anderem vom Beginn des Krieges. Er und seine Kollegen hatten nach Abhängigkeit der Familienstände zum Teil frei bekommen um ihre Familien in Sicherheit bringen zu können. Anschließend nahmen sie den Dienst selbstverständlich wieder auf. Browary war als östlich gelegene Vorstadt der Hauptstadt Kiew bereits zu Beginn des Kriegs Schauplatz von Kampfhandlungen. Maxime wiederum ist der Chef der örtlichen Stadtwerke. Diese werden das Fahrzeug bis zur Indienststellung übernehmen und für den Einsatz in der Ukraine vorbereiten. Wenn die zukünftigen Einsatzkräfte auf das Fahrzeug eingewiesen sind, wird es dann in einem Vorort von Browary, wo es dringend benötigt wird, den Dienst aufnehmen. Während der Wartezeit fielen uns auch viele Jugendliche, vor allem junge Frauen auf. Sie waren Reisende der zahlreichen Busse auf unserer Höhe. Es handelt sich dabei zwar um eine Momentaufnahme und möglicherweise um einen reinen Zufall, aber man macht sich doch Gedanken was nach dem Krieg kommt. Eine unwahrscheinliche Zahl junger Männer, welche diejenigen sind, die das Land wiederaufbauen und die Wirtschaft antreiben müssen, fällt im Krieg oder wird verwundet. Junge Frauen und Kinder fliehen verzweifelt vor dem Krieg und stellen sich die Frage welche Perspektive sie in ihrer Heimat haben werden. Inzwischen haben wir mehr als deutlich den Patriotismus in diesem Land gespürt. Aber die folgen dieses Krieges werden vor allem in der jüngeren Generation verheerend sein. Der knallgrüne FlixBus ist während unserer zweistündigen Verweildauer übrigens erst um zwei Fahrzeuglängen gewandert. Am Ende werden es wohl vier gewesen sein.

Die Übergabe

Nach sieben Stunden an der Grenze hatte es endlich auch unser Begleitfahrzeug geschafft diese zu passieren. Unserem Ratschlag gefolgt wurde es am Kreisverkehr in Lauerstellung geparkt und der Weg zur Tankstelle zu Fuß hingelegt. Auch mit Uwe, Bernd und Jan lief die Begrüßung gleichermaßen vertraut ab. Vor der Übergabe ging es aber nochmal in die Tankstelle. Nach dieser langen Zeit mehr als nur notwendig. Zu lange wollten wir uns dennoch nicht mehr aufhalten. Wir machten uns auf zum gemeinsamen Foto vor den beiden Feuerwehrfahrzeugen. Neben der blau-gelben Flagge hatten wir auch an den obligatorischen Fahrzeugschlüssel gedacht. Wir hatten unser Ziel erreicht. Nach solch einer Abenteuerreise möchte man fast schon sagen die Mission erfüllt. Mit den Besten Wünschen und Grüßen in die Heimat verabschiedeten wir uns noch herzlicher, als zuvor bei der Begrüßung. Da geriet das TLF als eigentlicher Grund des Treffens fast schon zur Nebensache. Die Stimmung war kaum in Worte zu fassen, jedoch ganz besonders. Einen letzten Blick auf die Kameraden und das TLF werfend, machten wir uns auf den Fußweg zum Mehrzweckfahrzeug. Unser Plan den Rückstau zu umgehen ging voll auf. Zumal es wahrscheinlich wenige Menschen an dieser Seite der Grenze gab, die uns nicht hätte vorne einreihen lassen. Egal welcher Nation. Im Vergleich zur anderen Seite der Grenze ging es hier schnell voran. Auf ukrainischer Seite die gewohnte, einfache Prozedur mit dem Stempelschein. Anschließend Passkontrolle und weiter ging es. Leider hatten wir auch hier die Zollkontrolle übersehen. Nachdem es sich um zwei verspiegelte Fenster nebeneinander handelte, fiel uns das hintere einfach nicht auf. Der Grenzbeamte an der Ausreise-Schranke machte uns auf das Fehlen des dritten Stempels aufmerksam. Wir hatten jedoch eine ganz andere Stimmung, als bei gleichem Vorfall auf anderer Seite wahrgenommen. Das Fahrzeug eben seitlich abgestellt, war die Zollkontrolle fußläufig und unkompliziert durchführbar. Um uns nicht wieder falsch einzureihen, half der Grenzbeamte, der uns nun passieren ließ, gerne weiter. Als EU Bürger konnten wir links, an mehreren sich zurückstauenden Fahrstreifen, vorbeiziehen und die Einreise beginnen. Entgegen unserer Erwartungen wurden wir verhältnismäßig freundlich behandelt. Schnell konnten wir zur Fahrzeugkontrolle vorrücken. Dort durften wir die Kontrolle eines ukrainischen Paares beobachten. In ihrem Skoda Octavia hatten sie es in feinster Tetris-Manier geschafft sämtlichen Stauraum beim Beladen auszunutzen. Nun musste alles ausgeräumt und seitlich abgelegt werden. Eine polnische Grenzbeamtin fing derweil mit der Besichtigung des Motor- und Fahrgastraumes an. Der leere Kofferraum wurde ebenso wie sämtliches Gepäck unter strengem Blick der uniformierten Dame kontrolliert. Dabei wurden leider diverse Lebensmittel konfisziert, was das Gemüt der beiden nicht gerade erhellte. Als nun alles wieder eingeräumt werden musste, dabei der Laderaum des PKW auf einmal kleiner als zuvor schien, hatten wir Angst vor einem handfesten Ehekrach. Als die beiden mit, aus sicherer Entfernung spürbarer, schlechter Laune weiterfuhren, waren wir an der Reihe. Selbes Procedere, ebenso strenger Blick in und um das Fahrzeug. Überrascht waren wir allerdings bei der Gepäckkontrolle. Mit großer Verwunderung beim Anblick unserer Habseligkeiten, stelle sie uns lächelnd die Frage wo denn unser Bier sei. Ungläubig über sechs Deutsche die ohne Bier die Grenze befahren, stellte sich für die restliche Kontrolle gute Stimmung ein. Erstaunt, dass es an dieser Grenze auch angenehm, ja sogar humorvoll zugehen kann, war es am Ende doch noch ein versöhnlicher Abschluss unserer Überführungsfahrt. Für die EU-Heimkehr waren es am Ende „lediglich“ zwei Stunden. Um fünf Uhr Morgen erreichten wir letztlich unser Hotel. Tatsächlich öffnete uns eine Dame der Rezeption noch Tür und Pforte, sodass wir nur noch ins Bett fallen konnten. Die Abreise war nach dem Frühstück, für 10 Uhr angesetzt. Mit wenig Schlaf, zumindest gestärkt, traten wir die Heimfahrt an. Mit einem kleinen Umweg über Jena lieferten wir Matthias noch bei der Wache 2 der Berufsfeuerwehr ab und erreichten am Sonntagabend wieder Erlangen. Am Ende waren wir selbst erstaunt, welche Eindrücke und Erlebnisse innerhalb von 57 Stunden (44 davon auf Achse) einen erwarten können. Wir sind stolz unseren, wenn auch nur kleinen Teil, zur Unterstützung unserer Partnerstadt beigetragen zu haben. Wir haben aber auch erfahren, welche enorme Bedeutung diese „kleine“ Geste ausmacht. Wir wünschen unseren Kameraden aus Browary genauso wie der gesamten Ukraine viel Kraft, Hoffnung und Unterstützung für den hoffentlich bald endenden Krieg!

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Pressemitteilung vom 02.04.2023 der Stadt Erlangen I Amt für Brand- und Katastrophenschutz
Telefon 09131 86-2512 I E-Mail feuerwehr@stadt.erlangen.de I www.feuerwehr-erlangen.de

Text:

Markus König
Oberbrandmeister

Bild: 

Offizielle Entsendung des Fahrzeuges auf der Hauptfeuerwache Erlangen am 16.03.2023 mit einem Teil der Überführungsmannschaft,  Stadtbrandrat und Amtsleiter Amt für Brand- und Katastrophenschutz und Oberbürgermeister der Stadt Erlangen (v.l.n.r. Bernd Brehm, Jan Ral, Markus König, Stadtbrandrat und Amtsleiter Friedhelm Weidinger, Oberbürgermeister Dr. Florian Janik, Peter Steger)