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Arbeitsrecht: EuGH zur Arbeitszeitqualität von Feuerwehrbereitschaftsdienst

27. März 2018
LFV Bayern

Mit Urteil vom 21. Februar 2018 (C-518/15) entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), dass auch eine zu Hause verbrachte Bereitschaftszeit, bei der ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf Zuruf binnen acht Minuten zu einem Einsatz zu erscheinen, Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG ist.

Hintergrund des Falles ist die Klage eines belgischen Feuerwehrmannes der freiwilligen Feuerwehr der Stadt Nivelles. Dieser klagte, dass er auch für die in Rufbereitschaft verbrachten Zeiten ein Arbeitsentgelt erhalten müsse. Nach belgischem Recht gibt es für Bereitschaftszeiten der freiwilligen Feuerwehr nur eine jährliche Entschädigungspauschale. Ein Entgelt wird nur für tatsächliche Einsatzstunden gewährt. Die Rufbereitschaft der freiwilligen Feuerwehr war hier dergestalt geregelt, dass sich der Feuerwehrmann jederzeit in einer Entfernung zur Feuerwache aufhalten musste, die es ihm erlaubte, bei normalem Verkehrsfluss binnen acht Minuten an der Wache zu sein.

Der Arbeitsgerichtshof von Brüssel hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Artikel 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahingehend auszulegen sei, dass Bereitschaftszeit in einem wie im Sachverhalt geschilderten Fall als ,,Arbeitszeit" anzusehen ist.

Der EuGH führte zunächst aus, dass der Begriff des Arbeitnehmers nicht nach Maßgabe der nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden kann, sondern eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung hat. Danach ist unionsrechtlich als „Arbeitnehmer“ jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt und während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistung erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Somit ist es für die Einordnung des Klägers als „Arbeitnehmer“ unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass er nach nationalem Recht nicht den Status eines Berufsfeuerwehrmannes, sondern eines freiwilligen Feuerwehrmannes hat.

Der Kläger ist als „Arbeitnehmer“ einzustufen, da er in den Feuerwehrdienst der Stadt Nivelles aufgenommen wurde und für die städtische Feuerwehr bestimmte tatsächliche und echte Tätigkeiten nach Weisung ausgeübt hat, die vergütet wurde.

Weiter stellt der EuGH fest, dass sich die europarechtlichen Begriffe der Arbeitszeit und der Ruhezeit nach Artikel 2 der Arbeitszeitrichtlinie gegenseitig ausschließen. Eine Bereitschaftszeit könne demnach nur Arbeitszeit oder Ruhezeit sein, weitere Kategorien sieht das europäische Recht nicht vor. Die Definition der Arbeitszeit in Artikel 2 Nr. 1 beziehe sich auch nicht auf die Intensität einer Tätigkeit. Es komme vielmehr darauf an, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen müsse. Da der Kläger im zugrundeliegenden Rechtsstreit seine Bereitschaftszeit zu Hause bzw. in einem Acht-Minuten-Umkreis um die Feuerwache verbringen musste, befand er sich nach Wertung des EuGH an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort. Diese geographischen und zeitlichen Vorgaben beschränkten die Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen. Daher konnte der EuGH hier keine Rufbereitschaft feststellen, sondern ordnet die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit ein.

Der EuGH betont, dass die Situation anders gewertet werden muss, wenn der Arbeitnehmer einen Bereitschaftsdienst nach dem System der Rufbereitschaft erbringt, die seine ständige Erreichbarkeit, nicht jedoch zugleich seine Anwesenheit am Arbeitsplatz erfordert. Selbst wenn er seinem Arbeitgeber in dem Sinne zur Verfügung stehen muss, dass er erreichbar sein muss, kann er in dieser Situation freier über seine Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Dann ist nur die Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie anzusehen.

Quelle: Deutscher Städtetag, Hausvogteiplatz 1, 10117 Berlin